2022-07 Praktikumsbericht von Martyna (aus dem Englischen übersetzt)

Hallo, ich bin Martyna, die wahrscheinlich erste nicht-deutschsprachige Freiwillige im Programm.

Ich bin eine 24-jährige Medizinstudentin aus Vilnius, Litauen. Die Welt zu bereisen und humanitäre Arbeit zu leisten, war immer ein Traum von mir, deshalb wusste ich, dass ich nach Kenia reisen wollte, als ich vom Maisha Mazuri Kinderzentrum erfahren hatte. Leider klappt es aufgrund meines Studienplans und der Präsidentschaftswahlen in Kenia im August 2022 nur für 6 Wochen.

Es ist schwer, meine Gefühle direkt nach meiner Ankunft im MCC zu beschreiben. Vielleicht eine Mischung aus Aufregung, Neugierde und Angst? Ich hatte Glück, weil ich eine andere Freiwillige kennenlernen durfte, die bereits 3 Monate im Maisha Mazuri Children Centre war. Sie führte mich herum, erklärte mir, wie das Leben im MCC funktioniert, stellte mich den Kindern und dem Personal vor und beruhigte mich. Wenn sie es drei Monate geschafft hat, schaffe ich es auch, oder?

Es ist schwierig, das Leben in Kenia darzustellen und zu verstehen. Das erste, was mir auffiel, war, wie langsam die Zeit vergeht. Es fühlt sich an, als würden die Leute mit x0,75 Wiedergabegeschwindigkeit leben. Die Zeit ist hier frei. Jeder hat mehr als genug davon. Für Europäer, für die Zeit das Teuerste und Kostbarste zu sein scheint, ist diese Erfahrung überraschend. In Kenia ist es keine Seltenheit, dass ein Taxifahrer auch eine Rückfahrt anbietet und dann den ganzen Tag im Auto auf seine Kunden wartet – und ihnen am Ende des Tages aber nur die Fahrten und nicht die Wartezeiten in Rechnung stellt. Einfach aus dem Grund, weil er bereits durch die beiden Fahrten gutes Geld an diesem Tag verdient hat.

Es kann auch durchaus vorkommen, dass eine Kellnerin in dem Moment, in dem sie zum Tisch kommt, bemerkt, dass sie vergessen hat, die Speisekarte mitzubringen. Also geht sie zurück. Kommt sie mit der Speisekarte, bemerkt sie, dass sie ihr Notizbuch vergessen hat und ist die Bestellung dann endlich aufgegeben, erinnert sie sich 15 Minuten später daran, dass sie nie gefragt hat, ob denn die Getränke kalt oder warm sein sollten. Zugegebenermaßen verhält es sich auch im MCC ähnlich: es dauert eine Weile, bis einfache Ideen verwirklicht werden. Daher ist es wichtig, geduldig zu sein. Doch ein paar Tage oder Wochen später, passt man sich einfach an und lernt den berühmten Hakuna matata- („keine Sorge“) Spruch zu leben.

Das zweite, das mir aufgefallen ist, ist der Müll. Überall liegt Müll. Plastik wird auf jedem freien Stück Land oder Straßen verbrannt. Die Leute werfen während sie gehen ihren Müll einfach auf den Boden und es scheint niemanden zu stören. Ich versuche den Kindern im MCC beizubringen, sich der Plastikverpackung einer kürzlich gegessenen Süßigkeit in ihrer Handfläche bewusst zu werden. Deshalb kauften Veronika (eine weitere Freiwillige) und ich neue farbcodierte Mülleimer und stellten sie in die Außenküche, die Innenküche und den Freiwilligenbereich. Der grüne ist für Bio-Abfall, der später zum Kompost und dann zur Shamba gebracht werden soll. Der blaue Mülleimer ist für Plastik, welches verbrannt werden soll, der pinke für Papier, welches wir zu unserem Koch bringen, damit dieser damit in der Küche Feuer machen kann. Das Projekt Mülltrennung geht langsam voran, aber wir bewegen uns in die richtige Richtung. Vor ein paar Tagen, als ich aus der Kirche zurückkam, sah ich Kinder, die Plastikflaschen vom Straßenrand aufhoben und sie zu unseren Recyclingbehältern zurückbrachten. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie glücklich mich das gemacht hat!

Etwas, das mich auch beschäftigt, ist die Armut. Es ist schwer vorstellbar, wie wenig so viele Menschen haben. Am Anfang war ich überrascht, im MCC Jungen und Mädchen zu sehen, die tägliche Aufgaben im Heim übernehmen: Sie helfen beim Kochen, Putzten und kümmern sich um Haustiere. Auch am Wochenende haben sie strenge Zeitpläne, fast keine Zeit zum Spielen. Es entstand in mir das Gefühl, dass es sich nicht um Kinder, sondern um kleine Mitarbeiter handelt. Später jedoch habe ich mit den Sozialarbeitern die ländlichen Gegenden und in die Slums von Nairobi besucht. Zu sehen, woher die meisten der MCC Kinder kommen, war eine herzzerreißende Erfahrung für mich. Bis zu 10 Personen schlafen in einem Einzelbett und teilen sich ein Zimmer, welches ein paar Quadratmeter groß ist und kein Fenster hat. Zu meiner größten Überraschung erfuhr ich, dass diese Leute für die winzigen Zimmer Miete und ihre Stromrechnungen bezahlen und Wasser (nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Waschen und Reinigen) kaufen müssen. Ich habe viel darüber nachgedacht und ich habe immer noch keine Antwort darauf, wie sie es schaffen, zu überleben. Diese Erfahrung hat die Art und Weise, wie ich das Leben der MCC Kinder wahrnehme, völlig verändert. Alle haben jeden Tag zu Essen, fließendes Wasser, haben ein eigenes Bett, einen Tisch, haben die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und sie haben sogar Spielzeug zum Spielen. Das ist so viel mehr, als ihre Geschwister und andere Kinder mit ähnlichem Hintergrund haben.

 

Nach diesen Erlebnissen entstanden unsere anderen Projekte zur Einsparung von Wasser und Strom. Wir versuchen, Kindern beizubringen, den Wasserverbrauch zu reduzieren, während sie das Geschirr nach den Mahlzeiten abspülen und Wäsche waschen. Außerdem haben wir einen neuen „Lichtwettbewerb“ eingeführt: Wir überprüfen Räume zu unangekündigten Zeiten und wenn wir in einem leeren Raum eine brennende Lampe finden, bekommen die Kinder, die den Raum bewohnen, einen Minuspunkt. Mädchen treten gegen Jungen an. Am Ende der Woche bekommt das Team mit weniger Minuspunkten einen Preis und der Wettbewerb beginnt von Neuem. Die Kinder lieben es! Und es scheint wirklich zu funktionieren! Beide Teams haben immer weniger Minuspunkte! Hoffentlich entsteht hierdurch neue gute Angewohnheiten. Wir hoffen, dass auch die nächsten Freiwilligen/Praktikanten mit dieser Idee weitermachen.

Bildung bedeutet hier Leben, weswegen ich mich darauf konzentrieren möchte. Die Kinder im MCC haben verschiedene Altersklassen und einen unterschiedlichen Bildungsstand. Einige von ihnen haben viel Schule verpasst. Daher gibt es z.B. Kinder in der 8. Klasse, die weder lesen noch schreiben können. Einige von ihnen können kein Englisch sprechen und verbringen jeden Tag in einer Schule, in der das meiste auf Englisch unterrichtet wird. Es gibt große Wissenslücken – ich glaube vor allem, weil sie mit dem Lernen völlig allein gelassen wurden und es ist nicht selten, dass sie von Anfang an für ihre eigenen akademischen Leistungen verantwortlich sind. Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr alleine Hausaufgaben machen müsstet? Ein Kind muss schon extrem motiviert sein, wenn es nach einem langen Schultag nach Hause kommt und dann auch noch seine Hausaufgaben alleine machen soll. Ich habe das Gefühl, dass die meisten von uns in Europa ohne ständige Unterstützung unserer Eltern die Schule abgebrochen hätten. Meine Mutter überprüfte jeden Tag die Hausaufgaben meiner kleinen Brüder, bis sie 14 Jahre alt wurden und erinnerte mich sogar während des Studiums daran, zu lernen.

Als ich im MCC ankam, erklärte mir die andere Freiwillige die Lernfähigkeiten jedes Kindes, so dass ich keine Zeit verlieren würde, um erst die Kinder kennenzulernen. Ich wusste sofort, wer welche Unterstützung benötigt. Dies ist vor allem wichtig, da einige Kinder extrem viel Zeit mit ihren Hausaufgaben benötigen; würde ich mit ihnen beginnen, würde keine Zeit mehr für alle anderen bleiben. Meine größte Sorge sind die Kinder der Mittelstufe. Ich glaube, dass sie diejenigen sind, die – mit ein wenig Hilfe und Aufmerksamkeit – viel höhere Ergebnisse erzielen und daher zur High School gehen könnten. Es ist wirklich traurig, doch ich bin mittlerweile die einzige Freiwillige hier und es ist mir nicht möglich allen Kindern den ganzen Tag mit ihren Hausaufgaben zu helfen.

Mein größtes und persönliches Projekt während meines Aufenthalts hier ist die Aufklärung über sexuelle und reproduktive Gesundheit. Nachdem ich mit Sozialarbeitern, Lehrern und dem Direktor des Programms darüber gesprochen habe, fand ich heraus, dass es nicht erlaubt ist, mit den Kindern in den Schulen über Sex zu sprechen. Ironischerweise gibt es viele Teenagerschwangerschaften, sexuell übertragbare Krankheiten und alleinerziehende Mütter, die Schwierigkeiten haben, bis zu 10 Kinder zu ernähren. Viele Kinder wachsen ohne ihre Eltern oder Familie auf, wenn sie in die Pubertät kommen, ihre Menstruation bekommen oder „feuchte Träume“ haben. Ich glaube, dass das Wissen über diese Prozesse im Voraus Angst und Stigmatisierung signifikant reduzieren kann. Das Lernen über die menschliche Anatomie und Physiologie des Fortpflanzungssystems hilft ihnen, ihren eigenen Körper und den des anderen Geschlechts besser zu verstehen. Erst dann können sie auch vollständig verstehen, wie Verhütungsmethoden funktionieren. Die Analyse eines Geschlechtsverkehrs macht sie nicht nur mit dem Prozess vertraut, sondern unterstützt sie auch bei zukünftigen Entscheidungen, der Familienplanung, der Übertragung von sexuellen Krankheiten und deren Prävention und ermöglicht ihnen, Missbrauch zu melden. Ich glaube fest daran, dass Wissen Macht ist. Was sie mit den bereitgestellten Informationen machen, liegt dann an ihnen. Es ist die Verantwortung von uns Erwachsenen und denen im MCC, Unfälle aufgrund mangelnden Wissens zu vermeiden. Ich hoffe aufrichtig, dass dieses Projekt am Leben bleibt, wenn ich nicht mehr im MCC bin. Ich werde alle Materialien und Erklärungen, und wie man sie benutzt, im MCC lassen – hoffentlich werden sich die MCC Mitarbeiter oder zukünftige Freiwillige ein wenig Zeit für diese Angelegenheit nehmen.

Ich schreibe diesen Bericht, als meine Zeit beim MCC schon fast vorbei ist. Ich weiß bereits jetzt, dass 6 Wochen nicht genug sind…

Lustig für mich ist, dass jeder zu Hause sagt, wie stolz und beeindruckt sie sind, sobald sie erfahren, dass ich mich als Freiwillige in Afrika engagiere. Was sie jedoch nicht verstehen, ist, dass am Ende ich es bin, die am meisten von den Erfahrungen hier profitiert. Ich versuche, den Kindern ein paar Dinge beizubringen, und hoffe, dass sich einige noch eine Weile daran erinnern. Ich werde mich für immer an sie erinnern, weil sie mein Leben wirklich verändert haben.

Asante Sana

Martyna

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